Von der verlockenden Illusion des Alltags – Andrej Henze stellt bei Janssen-Cilag aus
Das Alltägliche sei sein Thema, sagt der Maler Andrej Henze, dessen Arbeiten die Kunsthistorikerin Andrea Welb für die laufende Ausstellung bei Janssen-Cilag ausgewählt hat. Wer jetzt denkt, im Foyer hingen beiläufige Stilleben des grauen Alltags, der irrt. Auf Riesenformaten zeigt sich eher die staubfreie Schokoladen-Seite des Lebens. Maßstabübersteigerung, gewählte Ausschnitten und effektvollen Anschnitten beschwören Dingmagie. Ölfarbe wird zur messerscharfen Waffe. Von Licht durchsonnt funkelt Glas bis ins letzte Kristall, wie durchscheinende Seide fließt das dünne Gummi eines Kondoms über einen Glasrand, Metall reflektiert, was das Zeug hält. Andrej Henze, der an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Rissa studiert hat und den Andrea Welk auf dem Rundgang im letzten Jahr entdeckt hat, beherrscht das Handwerk fotorealistischer Darstellung. Vorlieben existieren bei ihm allerdings scheinbar für bestimmte Materialien, neben Kristall und Stahl vor allem für Eierschalen und von Eiweiß umspielte, knatschgelbe Dotter. Der illusionistische Effekt dabei ist groß, dagegen fallen stiefväterlich behandelte Tischplatten oder Hintergründe ab und lassen Gläser, Geschirr und Küchenutensilien zuweilen einfach unvermittelt im Raum schweben. Der Verdacht der Oberflächenbehandlung keimt, aber Andrej Henzes Malerei erschöpft sich nicht gänzlich in den stofflichen Reizen. Bei seinen inszenierten Stillebene, die so ganz und gar nicht vom Zufall diktiert sind, vermutet man – ganz in der Art auf den ersten Blick gefälliger Prunkstilleben des 17. Jahrhunderts – Hintergründiges. Bei Andrej Henze wohl eher Provokatives. Das Ei als Lebensquelle im aufwendig gefertigten Pokal, daneben ein Verhütungsmittel. Manchmal sind es auch nur formale Bezüge, die beunruhigen. Ein Gebiss im Glas – das wohl hoffentlich noch nicht vom Endzwanziger stammt – ist in seiner Bissigkeit verwandt mit einer gefräßigen Gemüsemühle, die ebenfalls Zähne zeigt. Absurde Zufälle gibt es natürlich auch, solche, bei denen man sich freut, wenn man sie am Werke sieht. Für eine seiner plastischen Arbeiten hat Andrej Henze Teebeutel in Wachs getränkt und zum Trockenen auf die Leine gehängt. Aus der Faszination für die schrundige, fast hässliche Oberfläche der Papier-Säckchen und das subtile Schattenspiel an der Küchenwand entstand ein Bild. Eigentlich sogar drei, denn über die volle Breite eines Triptychons spannt sich nun eine lockere Reihe heiter baumelnder Teebeuteln, die von einem Echo aus der Schattenwelt begleitet werden.
„Die Dinge werden erst schön, wenn man sie benutzt, Ästhetik entfaltet sich beim Gebrauch,“ erklärt Andrej Henze. So ist klar, dass die Bildfläche nicht ganz allein den Dingen gehören kann, sondern der Betrachter immer mit in seinen Bildern weilt: Durch Perspektive und Maßstab ist der betrachtende Blick fixiert. Er ist gerichtet auf bestimmte und nicht irgendwelche Details, macht Halt an Orten, die dem Maler ins Auge gefallen sind. So kommt man auf den Gedanken, wenn sich auf der spiegelnden Wölbung einer Kaffeetasse der Schatten eines Menschen zeigt, dass es wohl der Künstler selbst ist, der davor sitzt.
Andrej Henze, „Malerei“, Foyer Janssen-Cilag, Raiffeisenstr. 8, 41470 Neuss, bis 30. Mai, täglich zu den Geschäftszeiten von 8-18 h.
©Jutta Saum, 2003