Deister-Aktuell (15.07.2009)
„Die Idee ist, dass das Realistische eine Antipode bekommt“, so umschreibt der Künstler Andrej Henze, dessen Bilder noch bis zum 2. August in der Galerie per-seh in Sabrina und Frank Buchholz im Rahmen einer Gruppenausstellung auf dem Rittergut Großgoltern, Gutsstraße 8, zu sehen sein, seine Intention.
Der in Düsseldorf, wohnende und aus Barsinghausen stammende Künstler versucht unter anderem, nach seiner Empfindung Dinge plastisch-naturalistisch wiederzugeben, und im Kontrast bzw. Negativ eine Farbtrennung wie bei den Werken „Espressotasse“ und „Waschbecken“ wirken zu lassen. In der Galerie per-seh ist unter den großformatigen Bildern ferner das Triptychon „Teebeutel“, Öl auf Leinwand, in den Maßen 90 x 600 Zentimeter zu sehen, das im Jahr 2000 entstanden ist. „Die Bilder sind nicht zum Hineingreifen und Herausnehmen. Durch die Malerei wird das Gegenständliche wieder zum Bild, wie bei dem Wasserglas. Hier wird, die Perfektion in der Malerei durch die Darstellung eines schlechten Inkjet-Ausdrucks gebrochen“, sagt Andrej Henze. Der junge Künstler zeig mit seinem eigenwilligen Stil Einfallsreichtum und Phantasie, verbunden mit einem unerschöpflichen, meisterlich sicheren Zeichentalent. Für ihn ist die naturalistische Darstellung kein abgeschlossener Bereich; sie wird der schöpferischen Umbildung unterzogen.
In seinen Werken wird die Freiheit künstlrischen Gestaltens, die ständig neue Nahrung liefert, deutlich. Henze erzeugt eine Wirkung auf seine Zeitgenossen, die über den Bereich des Ästhetischen hinausgeht. Er gibt selbst dem Laien, der sich nicht um Kunst kümmert, durch faszinierende Erscheinungen einen Begriff von den Spannungen, denen ein Künstler ausgesetzt ist. Andrej Henze ist in Barsinghausen kein Unbekannter; er ist hier aufgewachsen und hat am hiesigen Gymnasium 1994 sein Abitur gemacht. In Düsseldorf folgte an der Kunstakademie bei Professor Rissa das Studium der Malerei. In Barsinghausen hatte er 1997 im Zechensaal und bei der Neujahrsbegegnung 2000 Objekte und Bilder vorgestellt. Seine Bilder, in kühler Perfektion gemalt, zeigen Gegenstände aus dem täglichen Leben: Alltägliches – losgelöst von seiner Umgebung, wird durch den überraschend gewählten Ausschnitt, Platzierung und Schattenspiel der Funktionalität und Dinglichkeit enthoben. Die sichtbare Realität wird in Frage gestellt, gerade durch die Gründlichkeit und Herrschaft des Details. Die Farbwahl trägt ebenso dazu bei, die Sicherheit über das, was man sieht, zu verlieren.
Die Stadt Barsinghausen kaufte ein großes Bild von ihm, das im Rathaus II hängt. Es zeigt eine Brille – überdimensioniert – in der sich die Umwelt spiegelt: Der Betrachter wird auf diese Weise scheinbar mit in das Bild eingefangen. Dieses Thema, Dinge des täglichen Lebens ausschnitthaft wiederzugeben, verfolgt Henze seither konsequent. Die extrem realistische Wiedergabe macht das Sehbare erst sichtbar und ist – neben der Farbigkeit – vor allem in einem Aspekt nicht realistisch: in der Größe. Das kleine, eher unscheinbare Objekt wird durch Gigantisierung aus dem vertrauten Kontext gerissen. Der gewählte Ausschnitt verstärkt den Eindruck des Merkwürdigen und Fremdartigen und verweist auf den mythisch besetzten Charakter, den die Dinge haben. In Kürze wird Andrej Henze mit seiner Frau Lea Lenhart gemeinsam in einer Ausstellung in Angermund bei Düsseldorf vertreten sein. Informationen zur Ausstellung in Großgoltern sind auch unter www.per-seh.de erhältlich.
Deister aktuell – 15.08.2009